Ketamin

Ketamin wurde 1963 zum ersten Mal synthetisiert und findet seither Anwendung als Kurzzeitnarkosemittel in der Medizin.

PCP, (Phencyclidin auch „Angel Dust“ genannt) Lachgas und Ketamin haben einen ähnlichen Wirkmechanismus im Gehirn (sie blockieren den sogenannten NMDA-Rezeptor). Ein großer medizinischer Vorteil von Ketamin besteht darin, dass trotz einer Schmerz- und Bewusstseinsausschaltung im zentralen Nervensystem Schutzreflexe wie Schlucken und Husten kaum beeinträchtigt werden, solange der Patient gesund ist und keine weiteren dämpfenden Substanzen verabreicht werden. Durch Berichte von Patienten stellte sich bald heraus, dass Ketamin nicht grundsätzlich zu einer vollständigen Bewusstlosigkeit führt, sondern „dissoziative Erlebnisse“ erzeugt, vor allem in der Abklingphase der Wirkung. Patienten berichteten von traumähnlichen Zuständen und einem Losgelöstsein von ihrem Körper. Ende der 70er Jahre stieg das allgemeine Interesse an der psychoaktiven Wirkung durch die Publikation zweier Bücher, in denen das psychedelische bzw. halluzinogene Potential von Ketamin beschrieben wurde.

Ende der 80er, Anfang der 90er fand Ketamin als Partydroge Einzug in die Techno- und Raveszene – unter den Szenenamen „Special K“ oder „Vitamin K“. In dieser Partyszene wird Ketamin meist nur sehr niedrig dosiert, da höhere Dosierungen zu massiven Koordinationsproblemenführen und und Unterhaltungen mit anderen Menschen unmöglich werden. Das bedeutet, dass Menschen dann hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt sind und kaum noch kommunizieren können. Es wird häufig berichtet, dass Ketamin erst nach dem Clubbesuch als „Afterhour-Droge zum Entspannen“ eingenommen wird. Ketamin ist in Deutschland verschreibungspflichtig, unterliegt aber nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Es wird in Deutschland also als verschreibbares Medikament eingestuft. Der unerlaubte Besitz und Handel kann trotzdem auf Grundlage des Arzneimittelgesetzes bestraft werden. In Großbritannien führte 2006 der vermehrte Konsum zu einer Einstufung als Droge der Klasse C.

Wirkung & Risiken

Die Ketaminwirkung wird subjektiv sehr unterschiedlich wahrgenommen und ist wie bei allen psychoaktiven Substanzen abhängig von Dosierung, körperlichen und psychischen Faktoren sowie den äußeren Umständen der Einnahme. Ähnlich wie bei Alkohol können niedrige Dosierungen stimulierend wirken, also das Gefühl vermitteln mehr Energie und Antrieb zu besitzen. Mit steigender Dosis treten die dämpfenden, betäubenden sowie halluzinogenen Wirkungen in den Vordergrund.

Ketamin wird meistens nasal (d.h über die Nasenschleimhaut) oder intramuskulär (eine Injektion in den Muskel) konsumiert. Die Sinneswahrnehmungen (zum Beispiel die optischen und akustischen Signale, oder die Wahrnehmung des eigenen Körpers) werden nicht mehr in gewohnter Art und Weise verarbeitet: Eingehende Informationen werden nicht mehr ständig mit bereits im Gedächtnis vorhandenen Informationen abgeglichen. Eindrücke gelangen nur noch ausschnitthaft (fragmentarisch) und zusammenhanglos ins Bewusstsein und ihre Bedeutung wird stark verändert wahrgenommen. Im Vergleich zu LSD ist die Ketaminwirkung sehr viel stärker nach innen gerichtet, bei höheren Dosierungen zieht sich das Bewusstsein komplett von äußeren Sinneseindrücken ab.

Ketamin löst jedoch bei einigen Menschen genauso wie LSD ein Gefühl der „Einheit mit dem Universum“ und sogenannte „out-of-body experiences“ (das Gefühl, man habe den eigenen Körper verlassen und beobachte sich sozusagen von „außen“) aus. Diese Erlebnisse wurden schon häufig mit Nahtoderfahrungen verglichen. Der Szeneausdruck für diesen Zustand ist „K-Hole“.

Gerade für Personen, denen Selbstbeherrschung und Kontrolle über ihr psychisches Erleben zu jeder Zeit sehr wichtig sind, können derartige Erfahrungen sehr unheimlich und erschreckend sein.

Die Wirkdauer hält abhängig von der Dosierung ca. 30-90 Minuten an und klingt mehrere Stunden aus.

  • Übelkeit
  • Verwirrtheit
  • Sehstörungen
  • Halluzinationen
  • erhöhter Blutdruck
  • Herzrasen
  • Krämpfe.

Es besteht außerdem die indirekte Gefahr von Verletzungen oder Unfällen durch die Beeinträchtigung der Wahrnehmung, des Reaktionsvermögens und des Schmerzempfindens. Bei häufigerem Konsum können sich auch Langzeitnebenwirkungen einstellen wie Gedächtnisstörungen, Probleme mit den Harnwegen und Schlafprobleme.

Formen von kontrolliertem und medizinischem Gebrauch

Ketamin gehört zu der „Liste der unentbehrlichen Arzneimittel“ der Weltgesundheitsorganisation. Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts setzte die US-Armee in Vietnam Ketamin in großem Umfang als Anästhetikum zur Behandlung verwunderter Soldaten ein. Es kommt auch noch heute in der Notfallmedizin und der Schmerztherapie zum Einsatz. Außerdem wurde Ketamin vereinzelt in wissenschaftlichen Studien zur unterstützenden Behandlung von Alkoholabhängigen genutzt und bei der Behandlung bestimmter psychischer Erkrankungen erprobt. Eine medizinische Anwendung findet in diesen zuletzt genannten Bereichen nur im Rahmen experimenteller Studien statt.

Formen problematischen Gebrauchs

Der Gebrauch von Ketamin ohne ärztliche Anleitung birgt viele Gefahren. Besonders gefährlich ist die gleichzeitige Einnahme anderer Beruhigungsmittel, da sich die Wirkungen gegenseitig verstärken, was bis zum Tod führen kann. Ketaminpulver ist außerdem meist mit unbekannten, möglicherweise gefährlichen Stoffen gestreckt. Da manche Konsumenten die Substanz spritzen, besteht hier ferner die Gefahr von Infektionen oder der Übertragung von Krankheiten, wenn die Spritzen geteilt werden.

Zahlen und Fakten

Der Gebrauch von Ketamin spielt im Vergleich zu anderen Substanzen eine eher geringe Rolle in Deutschland. In Großbritannien hingegen hat der Konsum in den letzten Jahren immer mehr zugenommen: Von 2007/08 bis 2009/10 hat sich die Zahl junger Erwachsener (Alter 16-24), die angaben im letzten Jahr Ketamin konsumiert zu haben, beinahe verdoppelt (von 0,9% zu 1,7%).
In einer Befragung von Clubgängern in Großbritannien, also einem sehr speziellen Ausschnitt von Personen, aus dem Jahr 2011 gaben sogar 41,2% an, im letzten Jahr Ketamin konsumiert zu haben.

Quellen

Böckem J.und Jungaberle H. mit Jork I. und Kluttig J. (2015). High Sein. Ein Aufklärungsbuch. Berlin: Rogner & Bernhard GmbH & Co. Verlags KG.

Gemeint sind ‚The Scientist‘ von John Lilly und ‚Journeys Into the Bright World‘ von Marcia Moore und Howard Alltounian.

Hoare J., Moon D. (2010). Drug misuse declared: findings from the 2009/10. British Crime Survey England and Wales. London: Home Office Statistical Board.

Winstock, A. (2011). The 2011 Mixmag drugs survey, in: Mixmag (March). London: Development Hell, S. 49-59.

Zarate, C. (2012). Replication of Ketamine’s Antidepressant Efficacy in Bipolar Depression: A Randomized Controlled Add-On Trial, in: Biological Psychiatry 71 (11). Amsterdam: Elsevier, S.939–46.

Ziegenfuß, P. (2011). Notfallmedizin. Heidelberg: Springer Medizinverlag, S.161.